Interview in der Siegessäule
Zitat:
Die sind Helden
Musiker haben Fans – und sind selber welche. Acht Gespräche mit queeren Künstlern über Bewunderung, Ruhm, Sex und Geld
Texte: Paul Schulz
Fotos: Barbara Dietl
Elli Erl, Superstar
Zwei Jahre war es still um Elli Erl. Nun ist die Gewinnerin der zweiten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar” (DSDS) zurück: mit ihrem neuen Album „Moving On”. Vieles ist anders, einiges ist gleich geblieben: Elli rockt, ist offen lesbisch und liebt Melissa Etheridge.
Du bist und warst immer ein großer Melissa-Fan, richtig?
Ja, stimmt. Was nicht heißt, dass ich ihr hinterherreise oder in Ohnmacht fallen würde, sollte sie mir mal über den Weg laufen. Ich bewundere sie als Musikerin und Person, weil sie ihr Handwerk beherrscht, eine tolle Songwriterin und eine kluge Frau ist. Ich mag aber natürlich auch andere Musiker. Ich bin da nicht fanatisch. Ich find’s auch ansatzweise unheimlich, wenn Fans ständig im Internet recherchieren, wirklich alles über jemanden wissen wollen, Kaffeetassen und Salzstreuer mit ihrem Idol drauf sammeln oder in Bettwäsche schlafen, wo der oder die drauf ist. Ich als Fan mag die Musik, mehr brauche ich nicht.
Wenn ich dir jetzt sage, dass Frau Etheridge am 4. Oktober ihr neues Album rausbringt, interessiert dich das dann?
Total. Ich werd mir die CD auch kaufen. Schon weil ich hoffe, bei ihr als Vorband zu spielen, wenn sie in Deutschland tourt. (lacht)
Melissas „Like the Way I Do” ist ja, nachdem du damit bei DSDS warst, auch dein Markenzeichen geworden.
Den Song hab ich schon vorher gern gesungen, und das gefiel immer allen. Melissa und ich haben ähnliche Stimmen, das bot sich an.
Hat dich nie gestört, dass du danach eigentlich auf das Image eines anderen Stars festgelegt warst?
Das ist heute nun mal so. Die Medien sind denkfaul und suchen, wenn jemand Neues auftaucht, immer sofort nach einem passenden Vergleich. Und ich hätte es ja nun wirklich schlimmer treffen können. Mit Melissa Etheridge in eine Schublade gesteckt zu werden, finde ich überhaupt nicht beleidigend, ganz im Gegenteil.
Glaubst du, dass ihr die gleichen Fans habt?
Sie hat natürlich erst mal ein paar mehr als ich. (lacht) Aber ansonsten kommen sicher auch bei mir viele lesbische Frauen und ein paar Rocker. Ich spiele nicht gleichzeitig mit Melissa in derselben Ecke von Deutschland, sonst haben alle, die sonst zu mir kämen, an dem Abend schon was vor.
Wärst du dann nicht sowieso lieber selbst auf ihrem Konzert, statt aufzutreten?
Ich war noch nie auf einem Konzert von ihr. Dazu musst du wissen: Ich bin keine große Konzertgängerin. Das klingt jetzt doof, ist aber so. Vor DSDS hab ich selbst ganz viel live gespielt, da willst du in deiner restlichen Freizeit auch mal was anderes sehen als Konzerthallen. Dieses Jahr war ich bisher auf einem einzigen Konzert: Pink in der Köln-Arena. Die Karten hatte ich geschenkt bekommen. Aber meine Freundin geht unglaublich gern in kleine Clubs und hört sich neue Bands an. Und das möchte ich auch gern öfter machen.
Wirst du, wenn ihr auf Konzerten seid, von deinen eigenen Fans komisch angeguckt?
Angeguckt ja, aber meine Fans sind höfliche Menschen und starren nicht. Die Situationen sind nicht komisch, sondern meistens sehr erfreulich. Und im Moment bin ich ja sowieso die Frau für den zweiten Blick: Ich bin meistens ohne Brille unterwegs, und die roten Haare sind auch weg, da erkennt mich sowieso kaum einer. Die Leute wissen einfach noch nicht, wie ich jetzt aussehe. (lacht)
War das ein bewusster Schritt weg von den Teenie-Fans, die du nach DSDS hattest, hin zu einem erwachsenen Publikum?
Du wirst lachen: In den ersten drei Reihen bei meinen Konzerten hatten schon immer alle Schamhaare. Die „Ich kreisch jetzt einfach so lange, bis die Sanis kommen”-Fraktion war immer woanders, was ich auch nicht wirklich schlimm fand. Die Fans, die mir aus der DSDS-Zeit geblieben sind, waren und sind immer noch erwachsen, und das ist sehr schön so. Ich hab jetzt auch nicht bewusst versucht, mein Image zu wechseln. Die Haare hab ich mir spontan im Urlaub gefärbt und wir haben das dann einfach so gelassen. Und weil ich ‘ne Sonnenbrille hab, in die keine optischen Gläser passen, hab ich halt Kontaktlinsen getragen. Beim Fotoshooting fürs Album sind mir meine eigenen Augen dann zum ersten Mal so richtig aufgefallen. Ich find mich jetzt aber nicht plötzlich spektakulär schöner.
Der Blick in den Spiegel sagt also immer noch: „Hallo, Frau Erl.”
Ja. Eigentlich wieder. Ich kann jetzt, im Gegensatz zu DSDS, selbst bestimmen, was für Musik ich spiele, was ich anziehe oder auch nicht – und wie ich aus der Wäsche gucke.
Also bist du wieder dein eigener Fan?
Schön gesagt! Genau.
Elli Erl: „Moving On”, jetzt erhältlich
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