Spiegel Artikel

[Staschka]

SUPERSTAR, DIE ZWEITE

Metrosexuell, wild und gepierct - Hauptsache authentisch

Von Marianne Wellershoff

Authentisch - das war das Lieblingswort des Abends. Über drei Stunden lang bewies RTL dann jedoch zum Auftakt der neuen Staffel seines Casting-Spektakels, dass es bei "Deutschland sucht den Superstar" von bekennenden Zwitterwesen bis zu Bravo-tauglichen Kullerkeksen alles gibt, nur eines nicht: Authentizität.



RTL
"Die wilde 13": Kandidaten der neuen Staffel
In der Trostrunde am vorvergangenen Mittwoch schien er zunächst der Verlierer des Abends zu sein: Die Jury kanzelte ihn ab, fand sein Repertoire zu schmal. Doch die Zuschauer wählten ihn gegen den Willen der Juroren weiter. Und nun war er gestern Abend in der Auftaktsendung zur zweiten Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" (RTL, 21.15 Uhr) der Star: Philippe, blonder HipHopper, Human Beatbox, junger Vater und gepiercter Rebell.
Der Moderator Carsten Spengemann sprach zu Beginn der Sendung von der "Wilden 13", die sich an dem Thema "Mein Popidol" abarbeiten werde. Vorgesehen waren ursprünglich nur 12 Kandidaten, aber die Jury hatte in der Trostrunde ihre zwei Lieblinge - Anke und Gunther - durchgedrückt, obwohl sie laut Reglement nur einen von beiden in die nächste Runde hätte schicken dürfen. Damit die Programmplanung nicht durcheinander geriet, mussten in der ersten Show deshalb zwei Kandidaten ausscheiden.

"Wir konnten es kaum erwarten!", rief die Moderatorin Michelle Hunziker in den brüllend lauten Saal, was man ihr fast schon glauben kann, bei diesem Dauerstrahlen im Gesicht. Und dann liefen die Kandidaten brav im Gänsemarsch an ihr und Spengemann vorbei, nur zwei leisteten sich Extravaganzen: Philippe tanzte die Treppen herunter und knutschte die überraschte Hunziker ab, und der metrosexuelle Lorenzo begrüßte den ziemlich verdutzten Spengemann mit einem Knicks.

Das erste Ein-Minuten-Lied musste Kemi, 21, aus Gronau vortragen: Sie legte eine sehr tapfere Version eines Alicia-Keys-Hits vor und bewies, dass sie zu Recht in der Mottoshow gelandet war. Der BMG-Chef Thomas Stein profilierte sich allerdings, wie schon bei der ersten Staffel, als Richter Gnadenlos und erklärte, "Du bist heute nicht stark genug", während Dieter Bohlen für mildernde Umstände plädierte: "Du stehst wahnsinnig unter Druck wie eine Nuss im Knacker."

Lorenzo wirkte wie Miriam Makeba in jungen Jahren

Und dann trat Gunther auf, der rätselhafterweise Bohlens Liebling ist. Im Einspielfilm verwies Gunther auf sein großes Können an der Playstation, was ihm nicht gerade die Aura von künstlerischem Tiefsinn verlieh. Dann lieferte er eine öde Interpretation des öden Backstreet-Boys-Songs "Quit Playing Games" ab, die es sicherlich nicht zum Videospiel-Soundtrack geschafft hätte. Egal, Bohlen war begeistert: "Ich hatte dich im Studio, du musst weiterkommen." Muss? Nein, muss er nicht. Und sowieso: Wieso holt Bohlen ihn nicht einfach gleich ins Studio und nimmt eine Soloplatte mit ihm auf? Damit wäre allen Seiten gedient.

Ebenso verwunderlich war das Lob für die propere Denise vom Land, die, oh Wunder, bei der Jury als Country-Hoffnung gilt. Was sang sie? Klar, "Forever and always" von Shania Twain. Denise traf nicht alle Töne, was den Juroren entweder nicht auffiel oder aber gleichgültig war: "Du hast etwas, was man nicht kaufen kann, nämlich Gefühl", sagte Bohlen. Sein Knuff-Nachbar Thomas Bug fand sie "sehr authentisch", was wohl als Lob gemeint war, aber auch ganz anders verstanden werden konnte.

Überhaupt war "authentisch" das Wort des Abends, auch wenn wohl kaum etwas weniger auf die Sendung zutrifft. Aber je mehr eben öffentlich gesiebt, gesucht und gecastet wird, desto mehr will man gleichzeitig vertuschen, dass die "Superstar"-Kandidaten gesiebt, gesucht und gecastet worden sind. "Glaubwürdig", eine Vokabel aus dem amerikanischen HipHop, sollten die Bewerber sein - was einigermaßen grotesk wirkte, und zwar vor allem, als die schwer gezähmte 13 ganz in weiß gekleidet Bohlens neue Schmierenkomposition "Believe in Miracles" vortrug. Höhepunkt der Glaubwürdigkeit war dabei Lorenzo, der mit seinem weißen Kopftuch so aussah wie Miriam Makeba in jungen Jahren.

Letztlich, das versteht sich von selbst, ist Authentizität gar nicht erwünscht. Wie anders ist es sonst zu erklären, dass Elli, in schwarzer Lederhose und Glitzertop, mit rauer Rockstimme eine hervorragende Interpretation von Melissa Etheridges "Like The Way I Do" vortrug - von den Juroren jedoch zu hören bekam, sie sei zu wenig weiblich und zu aggressiv? Elli ist eben kraftvoll und nicht klassisch weiblich - und damit offenbar nicht Bohlen/Bravo-tauglich. Vielleicht wäre es das Klügste, wenn sie auf der Stelle die Sendung verlässt, denn sie hat Besseres verdient. Anke, vor anderthalb Wochen noch Jury-Favorit, musste aus ähnlichen Gründen Kritik über sich ergehen lassen: Auch sie hatte, für Bohlens Geschmack, "zu viel Power". Stärke gehört sich offenbar nicht für eine Frau. Bohlen steht da eher auf seinen "Kullerkeks" Judith: mäßiger Gesang, liebes Lächeln und vor allem sehr jung.

"Spitzenklasse" - "Coole Sau" - "Hammermäßig"

Star des Abends sollte Lorenzo werden, der überdrehte Modeschneider und Küblböck-Nachfolger mit den seltsamen Frisuren. Er wurde deshalb als Letzter ins Rennen geschickt und legte eine überaus groteske und - wohl unfreiwillig - schreiend komische Interpretation des Rolling-Stones-Klassikers "Satisfaction" vor: Ein schwer metrosexueller Mensch (Lorenzo über sich: "Ich bin nicht männlich. Ich bin nicht weiblich. Ich bin eher so ein Zwischending.") sang, hüftkreisend, einen absoluten Macho-Song. "Ich fand es furchtbar", sagte Stein, womit er Recht hatte, was Lorenzo jedoch mit einem "Ach, wirklich?" kommentierte. Bohlen, der die Gesetze des Popmarktes zu kennen glaubt, erkannte darin eine Strategie: "Es war völlig richtig, einen Titel zu singen, der das Gegenteil von dir selbst ist."

Doch zu diesem Zeitpunkt hatte schon längst Philippe allen anderen, Lorenzo inklusive, die Show gestohlen. Von Strategie verstand er nämlich auch etwas: Nachdem die Juroren in der Trostrunde bemängelt hatten, sein Können beschränke sich auf eine Imitation von Jamiroquai, sang Philippe nun in der Mottoshow einen Song von - Jamiroquai. Was sollten die Juroren da sagen? Stein: "Spitzenklasse." Bug: "Coole Sau." Bohlen: "Hammermäßig." Sogar Philippes Piercing, das vorher kritisiert worden war, fand man plötzlich ganz toll. Warum? Weil Metall unter der Lippe, na, logisch, authentisch wirkt.

Um 0.34 Uhr, endlich, gab die Jury ihre Tipps ab, welche Kandidaten die wenigsten Zuschauerstimmen bekommen würden: Judith (Stein: "Du hast kein Rhythmusgefühl"), Ricky (Stein: "Bedauerlich"), Steffen (Bohlen: "Cremig") und Jessica (Stein: "Das war nichts"). Am Ende erwiesen sich Jessica und Ricky als die Verlierer des Abends.

Das eigentlich Tragische des Abends aber zeigten die Einspielfilme: verschwundener Vater, Kontakt zum Vater abgebrochen, Vater wird noch nicht mal erwähnt, Vater ist unfähig, positive Gefühle seinem Kind gegenüber zu artikulieren. Es scheint, dass die Sendung "Deutschland sucht den Supervater" viel dringender gebraucht wird als die Neuauflage einer Casting-Show.

http://www.spiegel.de/kultur/musik/0...275279,00.html

Nicht schlecht für Elli oder? Und alles andere über DSDS wäre hiermit gesagt!

Staschka

[Amandafan]

Danke für den Artikel @ Staschka !!!!!!!!



"Die wilde 13"


Lieben Gruss
Kerstin

[^Fallen_Angel^]

Danke schön. SUpi was die über Elli schreiben. *höhö*

[Ana]

... oh, ich dachte Peter hätte den damals veröffentlicht unter "Presse". Den Link hatte ich ihm mal zugeschickt ...
However. Sehr gut geschriebener Artikel, wie ich finde.

[Amandafan]

Hi Ana,

auch noch schnell schauen *grins*

Geh nun gleich inne Federn...........guts Nächtle

Lieben Gruss
Kerstin