Frankfurter Rundschau: Interview mit Shona Fraser
Shona Fraser ist ehemaliges Mitglied der Jury zu "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS). Sie weiß, was hinter den Kulissen des erfolgreichen Sendeformats geschieht und inwieweit man als Jurymitglied Verantwortung für die medienunerfahrenen Kandidaten übernimmt.
Heute um 21.15 Uhr startet die dritte Staffel der RTL-Show, in der erneut hoffnungsvolle Kandidaten vor einer gnadenlosen Jury und den Augen von Millionen Zuschauern ihre Gesangstalente zum Besten geben - immer das Ziel vor Augen, als Schlagerstar Karriere zu machen. Gelungen ist das den bisher gekürten Siegern nicht wirklich. fr
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Zitat:
Keine Witzfiguren
Für Ex-Jurorin Shona Fraser ist "Deutschland sucht den Superstar" "ein tolles Format
Frankfurter Rundschau: Frau Fraser, vor "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) haben Sie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gearbeitet, so für "WDR Funkhaus Europa". War der Wechsel nicht eine komplette Umstellung für Sie?
Shona Fraser: Nein, weil ich davor schon jahrelang für Eins Live und MTV Europe gearbeitet und bereits für PRO7 eine Girlband gecastet hatte. Angefangen hatte ich als Musikchefin bei einem College-Radio in England. Musik ist die Konstante in meinem Leben.
Hatten Sie erwartet, dass durch DSDS auch ein so großes Medieninteresse an ihrer Person geweckt wird?
Ich dachte eigentlich, dass die Kandidaten in der ersten Reihe stehen und nicht die Jury. Irgendwann weiß man allerdings, dass man Samstagnachmittag besser nicht ins Stadtzentrum gehen sollte. Aber das gehört dazu. Wenn man sein Gesicht für etwas hinhält, dann muss man auch damit rechnen, dass man wiedererkannt wird.
DSDS soll zeigen, wie die Musikindustrie funktioniert. Dass man hart einstecken muss, wenn man es schaffen will und nur mit Disziplin weiter kommt. Es wirkte auf viele so, als gäbe es keinen anderen Weg zum Erfolg.
Das war nicht der Sinn der Sache. DSDS ist in erster Linie eine Unterhaltungssendung und nur einer von vielen Wegen in die Showbranche. Und wenn man den Traum hat, Musiker oder Sänger zu werden, dann sollte man alle Möglichkeiten ausnutzen. Sei es, Demos an Plattenfirmen zu schicken oder fünfmal die Woche mit seiner kleinen Band zu spielen. Man wird es nur schaffen, wenn man hundertprozentig an sich glaubt. Dann ist die Kritik von anderen nur eine Nebensächlichkeit.
Aber solche Beurteilungen finden ja sonst in kleinem Rahmen statt und nicht vor Millionen von Fernsehzuschauern.
Natürlich gehen die Kandidaten auch ein Risiko ein, wenn sie an dieser Sendung teilnehmen. Aber dafür haben die Teilnehmer auch eine Riesenchance. DSDS sollte man als einen Türöffner verstehen, durch den man einen Plattenvertrag bekommen kann. Was man hinterher daraus macht, bleibt dann jedem selbst überlassen.
Fühlt man sich denn für die Kandidaten nicht verantwortlich? Immerhin hat man sie in die Öffentlichkeit gedrängt.
Soll ich mich für die Kandidaten verantwortlich fühlen, weil sie eine tolle Chance erhalten haben? Diese kritische Einstellung in Deutschland ärgert mich. Warum muss man eine solche Chance so negativ sehen? In anderen Ländern ist das nicht so. Man muss die Show nicht als sozio-kritisches Phänomen betrachten. Es ist eine Unterhaltungssendung und ein Weg, Leuten die Möglichkeit zu geben, es in dieser harten Musikindustrie zu schaffen, in der man ansonsten unermüdlich seine Demo-CDs irgendwohin schicken muss und in der die Majorfirmen keine Zeit mehr haben, intensiven Künstleraufbau zu betreiben.
Warum bezeichnen Sie diese kritische Haltung als typisch deutsch?
Weil es diese Form der Kritik nur in Deutschland gibt. Nur hier sind sich die Leute für so etwas zu schade. In anderen Ländern, wie zum Beispiel den USA, betrachten Künstler ein solches Unterhaltungsformat eher als Chance. Es gibt hier sehr viele Jugendliche, die kein Talent haben, die aber jede Woche viel Geld für Gesangsunterricht ausgeben. Sicher können sie Geld dafür ausgeben, wenn ihnen das Spaß macht. Aber man sollte ihnen nicht das Gefühl vermitteln, dass sie es als Sänger schaffen könnten. Ich finde so etwas viel verantwortungsloser, als jemandem im Rahmen so einer Sendung ehrlich zu sagen, dass er nicht das Zeug zum Star hat.
In den ersten Casting-Runden gab es sehr viele Teilnehmer, die nichts konnten und sich durch ihren Auftritt öffentlich bloß gestellt haben. Geht die Ehrlichkeit in diesen Fällen nicht auf Kosten der Kandidaten?
Nein, diese Ehrlichkeit hätte viel früher kommen sollen. Die Leute sollen erst mal ihren Familien und Freunden vorsingen. Wir haben keine Witzfiguren gesucht. Wir haben nach einem Star gesucht. Und wenn jemand, der nicht talentiert ist, zum Casting kommt, dann muss man ehrlich sein. Denn wenn jemand keinen Ton trifft, wird er nie ein großartiger Sänger werden.
Aber die Sprüche von Jury-Mitglied Dieter Bohlen gingen doch teilweise unter die Gürtellinie.
Dieter Bohlen polarisiert. Es gibt Leute, die ihn witzig und andere, die ihn schrecklich finden. Und es wäre ein furchtbar langweiliges Land, wenn wir die gleichen Leute gut oder schlecht finden würden.
Hat Sie etwas gestört an dem Konzept der Fernsehsendung?
Ich fand es schwierig, dass von Anfang an ein Produzent feststand. Nicht, weil ich Dieter Bohlen schlecht finde, sondern weil er nicht zu jedem Künstler passt. Aber dieses Problem ist in der neuen Staffel behoben worden. DSDS ist ein tolles TV-Format. Ob es allerdings auch der Weg der Zukunft ist, um Künstler zu finden, die langfristig erfolgreich sein können, ist eine andere Frage. Das hängt sicherlich auch von den Qualitäten des Künstlers ab.
Interview: Bettina Schuler
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