09.09.2005 08:28
Will niemand Superstar werden?
TV NEWS- Lethargie bei den "DSDS"-Castings
Jubelnde Menschenmassen warten auf Einlass, überall wird gesungen, und eine elektrisierende Spannung liegt in der Luft. So haben Fans von "Deutschland sucht den Superstar" die Casting-Bilder der vergangenen zwei Ausgaben noch vor Augen. Seit Mitte August werden nun potenzielle Newcomer für die im Herbst bei RTL anlaufende dritte Staffel gecastet. Das Interesse ist groß, allein in München strömten knapp 1.000 Bewerber an zwei Tagen ins Hotel Hilton Park, um vor der Kamera ihr Können zu präsentieren - oder sich zum Affen zu machen.
Gesittet langweilig
Das Bild, das sich vor Ort bot, war dennoch eher ernüchternd. Die Teilnehmer für das Casting von "DSDS" trudelten eher schüchtern im Hotel ein, von ausgelassener Party-Stimmung keine Spur. Es geht gesittet und geordnet zu, damit die Mitarbeiter des Senders und der Produktionfirma Grundy Light Entertainment den Überblick behalten.
Das Styling der meisten fällt dagegen aus der Rolle: Vom Gesangstalent im Versicherungsvertreterlook, Dirndl, Paillettenbluse oder abgeranzten Jeans ist so ziemlich alles vertreten, was der Klamottenschrank hergibt. "Wenn jemand allerdings zur Trainingsjacke ein Batiktuch trägt, ausgetretene Turnschuh zum Glitzertop, bauchfrei mit Fettrolle, da weiß man gleich, dass etwas nicht stimmt", betonte Jury-Mitglied Sylvia Kollek schon im Vorfeld.
Illusion ist Futsch
Wer die Wartenden nach ihrer Motivation fragt, an dem Casting teilzunehmen, merkt, dass die Illusion, am Ende der Show ein echter Superstar zu sein, dahin ist. Stattdessen überwiegt die Neugier: "Mich interessierte, wie es bei einem solchen Casting zugeht", sagt beispielsweise Nicole (23), bevor der Wettbewerb startet. Sie ist wie die meisten hier nicht von ihrem eigenen Können überzeugt. Michael (27) hingegen schon. Der Münchner war bei der letzten Staffel von "DSDS" schon mit dabei und kam damals immerhin unter die letzten 20. "Diesmal bin ich besser vorbereitet. Als ich das letzte Mal rausgeflogen bin, war ich wirklich schlecht", gesteht der smarte Blonde. "Ich will einmal auf der Showbühne stehen und an einer Mottosendung teilnehmen." Doch als Sieger einen Plattenvertrag mit nach Hause zu nehmen, daran glaubt Michael nicht.
Jubeln auf Kommando
Plötzlich ertönt die Stimme von "Zacko", der die Wartenden aus dem Konferenzraum ins Foyer schleust. Der Anheizer ist nicht nur für die Ordnung der Teilnehmer zuständig, sondern erklärt ihnen auch, wie sie sich bei dem bevorstehenden kurzen Dreh zu verhalten haben. Eine Gruppenszene mit den Moderatoren Tooske Ragas und Marco Schreyl soll aufgenommen werden, um dem späteren Fernsehpublikum die ausgelassene Stimmung bei den Castings zu präsentieren. Alles läuft wie am Schnürchen: Die Teilnehmer jubeln, klatschen und hüpfen auf Kommando. Die von Marco Schreyl gestellte Frage "Was wollt ihr alle werden" wird auf Anhieb von der Masse mit einem klaren "Superstar" beschrien. Danach fallen alle wieder in ihre Lethargie zurück.
Die eigentlichen Jurymitglieder der Sendung bekommt am heutigen Tag niemand zu Gesicht. Dieter Bohlen, Heinz Henn und Sylvia Kollek kommen erst in der nächsten Casting-Runde zum Einsatz. Das erste Vorsingen wird allein von Musik- und Showredakteuren des Senders und der Produktionsfirma bestritten, die sich die Ohren "wund hören", wie RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer betont. Gecastet wird parallel in vier Räumen, jeder darf ein Lied präsentieren. Heute kommen in der ersten Runde zehn weiter, doch nur Norisha (24) scheint sich richtig über die genommene Hürde zu freuen. Die charmante Amerikanerin, die für zwei Jahre in Deutschland lebt, umarmt jeden. Zu Hause kam sie nie auf die Idee, bei der amerikanischen Version "Pop Idol" teilzunehmen. Hier ließ sie sich von ihrer Gastmutter überreden.
Neu ist , dass der Siegersong nicht zwingend von Dieter Bohlen produziert wird. "Das soll zeigen, dass wir offen für alles sind und das individuelle Talent im Vordergrund steht", sagt Tom Sänger, RTL-Bereichsleiter Unterhaltung, Show und Daytime. Ohne langes Vorgeplänkel soll es schnell in die Themenshows gehen, in denen in den Halbfinalsendungen Frauen gegen Männer antreten. Diese Variante des Geschlechterkampfes erinnert stark an "Popstars" (ProSieben), doch Anke Eickmeyer versichert, dass der Sender nur die Erfahrungen aus dem eigenen Format, welches mittlerweile weltweit in über 30 Ländern ausgestrahlt wird, als Vorbild nehme.
Von Helden und Liebe
Zumindest bei der Songauswahl scheinen sich die Kandidaten auf Altbewährtes zu verlassen. Balladen wie Mariah Careys "Hero", Whitney Houstons "Greatest Love Of All" oder Celine Dions "Power of Love" sind weiterhin der Renner. "Wir haben hier Teilnehmer im Alter von 16 bis 30 Jahren und sehr viele der Kandidaten kommen mit diesen Klassikern, die zudem noch äußerst schwierig zu performen sind. Da kannst du im Prinzip nur alt aussehen", so Heinz Henn. "Ich würde mich freuen, ein bisschen zeitgenössischeres Material zu hören und ein bisschen mehr Rock."
Saskia Schnell
Quelle teleschau - der mediendienst
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