Teil 2: "Na, du, des mog i ned"
Zitat:
Buchner arbeitet nachts, wenn Haindling schläft. „Der Musiker ist in der Nacht am fittesten, weil ein Konzert geht ja auch erst um achte los.“ Er improvisiert rum, versucht dieses und jenes, und immer läuft dazu das Aufnahmegerät. Dann bleibt hier dieses Motiv hängen, da jener Rhythmus, aus dem sich etwas machen ließe. Nie – oder zumindest selten, sagt er – steht am Beginn einer Komposition ein Loop, die Endlosschleife vom Schlagzeug, das Haupt-Hilfsmittel der meisten Produzenten. „Meine Lieder entstehen meistens aus der Melodie.“ Das ist zu hören – denn ein von unten, vom Rhythmus her aufgebautes Musikstück würde die Ohren wohl kaum mit Breaks, Einwürfen, Effekten an den unmöglichsten Stellen überraschen.
Es ist nun an der Zeit, mit einem Missverständnis aufzuräumen: Haindling ist keine bayerische Musik, keine Volksmusik, auch keine „neue Musik“. Das Missverständnis kommt daher, dass Hans-Jürgen Buchner viele Instrumente bedient, die auch Volksmusiker spielen – die Blechblasinstrumente voran. Aber die Musik, die herauskommt, hat mit bayerischer Volksmusik nichts zu tun, das ist so unsinnig, als würde man behaupten, er mache balinesische Musik, wenn er seine Gamelan-Gongs einsetzt. Die Texte sind bayerisch, das stimmt. Aber das trifft auch auf die Spider Murphy Gang zu, und die stand noch nie im Volksmusik-Verdacht. „Am Anfang hab’ ich auch Englisch gesungen, weil’s halt alle so gemacht haben“, sagt Buchner. „Aber Bairisch ist doch wunderbar.“
So wunderbar vor allem, weil er der Sprache einen neuen Rhythmus abgewonnen hat, im „Hoizscheidl-Rap“ von 1983 zum Beispiel, mit dem jeder preußische Sommerfrischler zur Verzweiflung getrieben werden kann: „Da Oasiedl vo Bog’n/hod Holzscheidl g’lobn/und hod se an Schiefing/in Osch einezogn“. Es geht grob darum, dass ein frommer Mann beim Holzhacken war und ihm dabei ein Missgeschick geschah, das mit seinem Hinterteil und einem Splitter zu tun hat. Aber wie das gemacht ist! Ohne Melodie, hart und schnell gesprochen, perkussiv – da würden sogar die Jungs aus der Bronx schauen.
>Wenn einer etwas macht, was vor ihm noch keiner gemacht hat, dann heißt er schnell Sprachspieler, Klangzauberer sowieso und was nicht alles an Einfallslosigkeiten herangezogen wird zur Beschreibung des Unerhörten. Auf Hans-Jürgen Buchner trifft das wenig zu. Er spielt nicht mit der Sprache – sondern er denkt wirklich drüber nach, ob und wie sich die Fische unter Wasser küssen, und er macht daraus ein wunderbar dezentes Liebeslied. Er zaubert auch nicht mit Klängen, er hört sie, und dann schaut er, in welcher Ecke seines Musikinstrumenten-Museums dieser spezielle Klang denn gelagert sein könnte.
Zum Beispiel Vivaldi. Buchner macht ja auch viel Filmmusik, und da hatte sich der Regisseur einer österreichischen Krimireihe die „Vier Jahreszeiten“ als Untermalung gewünscht. Buchner überwand seine Abneigung gegen Klassik, er besorgte sich aber nicht die Noten, sondern hörte die Aufnahmen mit Anne-Sophie Mutter und mit Nigel Kennedy rauf und runter, probierte, übersetzte, lernte auch viel, „wie der Vivaldi das gemacht hat“. Am Ende setzte er noch seine eigenen Impressionen von Frühling, Sommer, Herbst und Winter dazwischen, und so gibt es jetzt vier Jahreszeiten von Haindling und Vivaldi auf CD, also eigentlich acht Jahreszeiten. Den Zuhörer springt dabei die liebevolle Scheu an, mit der Buchner an das große Werk herangeht – er verletzt Vivaldi kein bisschen und macht doch Haindling draus.
Am Tisch in der Stubn ist das Bier ausgetrunken, ein kleiner Gang durchs Haus: Alles selbst gemacht, die Fensterbretter aus Keramik genauso wie die irdenen Tassen. In einem solchen Haus würde man gerne wohnen – so bunt wie Hundertwasser, aber mit Geschmack. Das stellt Hans-Jürgen Buchner auch vor ein Problem für den Geburtstag: „Zu Hause bleiben mag ich nicht, weil da dann tausend Leute anrufen und vorbeikommen. Wo anders feiern mag ich aber auch nicht, weil da bin ich ja dann nicht daheim.“ Es ist nämlich auch so, dass er sehr gerne faul ist: „Ich beschäftige mich auch gerne mal mit nix.“
Es ist spät geworden. Auf dem Weg zum Bahnhof von Geiselhöring liegt die Pizzeria „Gardasee“, da geht noch eine Halbe vor dem Zug. An der Wand hinter dem Tresen hängt eine Fan-Postkarte von Haindling und eine von Elli, die vor hundert Jahren einmal „Deutschland sucht den Superstar“ gewonnen hat und deshalb Geiselhörings zweite Berühmtheit ist. Hans-Jürgen Buchner rümpft darüber vermutlich innerlich die Nase, aber weil die Wirtin persönlich das Bier hinstellt und auf einen Ratsch stehen bleibt, ist er lieber höflich. Die Wirtin weiß auch, dass sich die Ehrerbietung der Haindlinger für ihren Mitbürger schon gewandelt hat im Lauf der Zeit: „Früher hieß es ,Mei, der Buchner’. Heute heißt’s ,Mei, der Buchner’.“ Das ist eine feine phonetische Unterscheidung in der Stimmmelodie, von der Einschätzung, dass da einer ein bisserl spinnt, hin zu – ja, Stolz auf den, der da gleich nebenan wohnt und ständig im Fernsehen kommt. Das mit den Meisen und alles andere – das werden sie ihm schon nachsehen, jetzt wo er 60 wird.
„Innerlich“, sagt Hans-Jürgen Buchner, „hab’ ich mich immer wie 28 gefühlt. Aber vielleicht werd ich jetzt dann doch mal 30.“
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Elli live Fan
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