Vollmond scheint in die Truckerkneipe
US-Rockerin Melissa Etheridge singt ihre Liebeserklärung
Auch wenn die Mädchen von T.a.T.u. geblufft haben: Ihr Hit "All the things she said" ist ein gelungener Ohrwurm über lesbische Liebe.
Die US-Rockerin M.E. zeigte in der Münchner Tonhalle, wie er von einer echten, 43-jährigen Lesbe interpretiert klingt: wild, rockig und leidenschaftlich. Doch die sympathische Highway-Braut aus Kansas im Frittenbuden-Outfit gab sich längst nicht mehr so wütend, wie man sie kennt.
Sie ist nämlich verliebt - ihr neues Album heisst "Lucky".
In einer fröhlichen Bühnendeko mit Papp-Saturn und Rakete setzt sie trotzdem voll auf ihre alten Qualitäten: Ihre raue, vibrierende Stimme ist ein Profi-Orchester für sich, der Sound wird nie zu laut, damit die gemütliche Live-Atmosphäre einer Truckerkneipe erhalten bleibt, Westerngitarre und Piano sorgen für Gefühl.
Gelegentlich, etwa bei "Angels Would Fall", singt sie etwas entrückt für sich allein ins Leere (denkt sie an ihre geliebte Tammy?). Doch dass sie auch das Publikum liebt, steht fest: "Wenn ich hier so spiele, will ich gar nicht mehr in meine paranoide Heimat zurück." Stattdessen entführt sie ihre Fans im Geiste dorthin: Beim countrylastigen "Don't You Need" intoniert sie so erzählerisch und warm, daß man meint, mit ihr bei Vollmond durch Monument Valley zu fahren. Mitreißend und ulkig wirkte "Bring Me Some Water" - denn dem Ausschank ging um 22 Uhr das Wasser aus bei rund 2000 Besuchern und 30° Innentemperatur.
Doch Melissa und ihre hübschen, begabten Begleitmusiker hätten sogar für streikende Bierzapfanlagen entschädigt.
Auf ihrem fast 3stündigen Streifzug durch die acht Alben der Musikerin ließen sie keine Wünsche offen, kein Ohr unbefriedigt, kein Herz ungerockt.
(Isabel Winkelbauer, Printausgabe der AZ vom 26.7.)
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