"Das könnte brutal werden!"
RTL erneuert das Konzept von "Deutschland sucht den Superstar" - es soll härter, strenger und noch mehr konkurrenzdenkende werden.
Wenn alles glatt läuft, hat Elli im August den zweiten Teil ihres Staatsexamens in der Tasche. Lehrerin will sie werden. Klingt bodenständig, klingt vernünftig. Klingt aber auch nach geplatzten Träumen von Reichtum, Ruhm und einer großen Karriere im Musik-Biz. Richtig viel Kohle hat die Gewinnerin der zweiten Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" ohnehin nie verdient. Dafür blieben zu viele ihrer Platten in den Regalen stehen. Immerhin: Verbiegen lassen wollte sie sich auch nicht. Schon gar nicht von Dieter Bohlen, der - und das dürfte wohl die größte Überraschung sein, die RTL dieser Tage zu verkünden hat - auch bei der dritten Talent-Suche wieder in der Jury sitzen wird. Im TV-Herbst also nichts Neues? Mitnichten!
Geschlechterkampf
Straffer soll das Konzept werden, verspricht der Kölner Sender - den chronischen Zuschauerschwund der letzten Staffel noch gut in Erinnerung. Durch eine "Sonderprogrammierung" will man schneller zu den großen Final-Shows mit den Top-Ten-Kandidaten kommen. Was das konkret bedeuten soll, will RTL erst wenige Wochen vor der Ausstrahlung verraten.
Um zusätzlich etwas Würze in die altbekannte Talentsuche zu bringen, setzt RTL in den Halbfinal-Sendungen zudem auf den Kampf der Geschlechter. Männer und Frauen treten dann gegeneinander an. "Unser Ziel ist es, Kandidaten und Zuschauern eine maximale Erneuerung der Sendung zu bieten", sagt Tom Sänger, RTL-Bereichsleiter Unterhaltung, Show und Daytime.
bis 30
Apropos Kandidaten: Bei den Castings, die ab Mitte Juli in Wuppertal, Bremen, Berlin, Mannheim, Erfurt, Nürnberg und München veranstaltet werden, stemmt sich RTL unerwartet gegen den vorherrschenden Jugendwahn im Pop-Biz, den Teenie-Stars wie Valentine, Joss Stone oder Renee Olstead aufs Neue entfacht haben. Die Bewerbungsgrenze wurde auf 30 Jahre angehoben. "Das soll zeigen, dass individuelles Talent im Vordergrund steht", sagt Sänger und stärkt damit - absichtlich oder nicht - Neu-Jurymitglied Heinz Henn den Rücken.
Kein Bohlen-Song mehr
Der einstige Musik-Manager bei EMI und BMG, der nun einen Führungsposten beim Videogames-Hersteller Take2 Interactive bekleidet, soll laut RTL "einen starken Gegenpol zu Dieter Bohlen bilden". Und als ob es das zu beweisen gelte, wetterte Henn schon im Vorfeld der Show gewaltig gegen seinen Kollegen: Bei Bohlen spiele das Aussehen der Kandidaten "bisweilen eine zu wichtige Rolle". Schließlich suche man einen Superstar und nicht Dieters Super-Schnuckelchen. Zudem glaubt Henn nicht, dass Bohlen international konkurrenzfähige Songs produzieren könne. "Solange ich es verhindern kann, werden die Kandidaten keinen Titel von ihm singen." Müssen sie vermutlich auch gar nicht, denn RTL räumte bereits ein, dass die Sieger-Hymne nicht automatisch vom Ex-Modern-Talking-Barden stammen wird. Vielmehr wird ein Pool von Musikproduzenten individuell für die Finalisten komponierte Songs vorschlagen, kündigte Tom Sänger an. Dennoch nahm Bohlen den hingeworfenen Fehdehandschuh nur zu gerne auf und konterte verbal in Richtung Henn: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Mensch mir nicht aufgefallen wäre in den letzten 20 Jahren, wenn der irgendwas gemacht hätte - vielleicht war er Pförtner bei der BMG." Der Auftakt eines ebenso gnadenlosen (Henn: "Das könnte brutal werden!") wie groß angelegten Ränkespiels nach Drehbuch?
Neue Gesichter
Neben Henn wird voraussichtlich Silvia Kollek (bis vor kurzem Managing Director Capitol Music) für frischen Wind in der Jury sorgen. Shona Fraser, Thomas Bug und Thomas Stein (mittlerweile auch Manager von Elli) haben dagegen ausgedient. Zum neuen Konzept gehören eben auch neue Charaktere, sagt Sänger. Gleiches gilt für die Moderatoren. Carsten Spengemann und Michelle Hunziker, die derzeit mit atemberaubendem Outfit und Gesang für Pfefferminz-Drops wirbt, mussten ihren Posten räumen. Noch-ZDF-Mann Marco Schreyl ("hallo Deutschland") und Tooske Breugem, die bereits die niederländische Version von "Superstar" präsentierte, sollen stattdessen durch die Sendungen führen. Und für Schlagzeilen sorgen. Denn Tooske Breugem dürfte schon bald den ehemaligen Caught-in-the-Act-Sänger Bastiaan Ragas ehelichen.
Bei RTL ist man zuversichtlich, was die Neukonzeptionierung betrifft. "Wir glauben fest daran, dass auch die dritte Staffel von 'DSDS' wieder ein Erfolg wird", sagt Sänger. Etwas skeptischer ist Elli. Zwar werde sie die Sendung auf jeden Fall verfolgen. Für ihre Nachfolger hat sie bisweilen aber nur Mitleid übrig. "Ich hatte es schon schwer. Aber jene, die da weiterkommen, werden es noch schwerer haben." Oder leichter. Denn die Erfolgserwartungen sind nach den Casting-Fluten der letzten Jahre erstaunlich niedrig angesiedelt.
Gerd Hilber
teleschau - der mediendienst 06.07.2005 13:10 Uhr
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